Findelmädchen (Lilly Bernstein)

Berührende Geschichte um eine junge Frau im Nachkriegsdeutschland

Schon das Cover hat mich neugierig auf das Buch gemacht. Die Kurzbeschreibung überzeugte mich dann, das ganze Buch zu lesen.

Beschreibung des Buches:
„Findelmädchen“ von Lilly Bernstein ist im Ullstein-Verlag als Taschenbuch 2022 mit 582 Seiten erschienen. Auf dem Titelbild ist eine junge Frau mit einem Mädchen mit dunklem Teint und dunklem Lockenkopf abgebildet. Im Hintergrund kann man den Kölner Dom erkennen.

Kurze Zusammenfassung:
Die 15jährige Helga und ihr älterer Bruder Jürgen sind endlich wieder in ihrer Heimat Köln angekommen, nachdem sie die ersten Nachkriegsjahre (bis 1955) in Frankreich bei Pflegeeltern verbracht hatten. Die Mutter ist verschollen, der Vater aus Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt. Er versucht den beiden ein normales Familienleben zu bieten. Seine Vorstellungen von Helgas Zukunft passen aber so gar nicht zu ihren eigenen Zukunftsplänen. Helga will auf eine weiterführende Schule, der Vater sieht sie als Hausfrau und Mutter, deshalb muss sie die Haushaltungsschule besuchen. Doch das scheint nicht ihre eigentliche Berufung zu sein. Als sie während des Praktikums im Waisenhaus die kleine Bärbel trifft, ist ihr Beschützerinstinkt und ihr Bestreben nach Veränderung erwacht.

Mein Leseeindruck:
Hinter dem Pseudonym Lilly Bernstein steht die Autorin und Journalistin Lioba Werrelmann. Sie hat für diesen Roman Zeitzeugen befragt und sich somit ein intensives Bild über das Leben in einem Waisenhaus machen können.

Mich hat der Roman von Anfang an angesprochen und berührt. Der Sprachstil der Autorin gefällt mir. Die verschiedenen Charaktere sind sehr gut herausgearbeitet, die Szenen so gut beschrieben, dass man sich während alles sehr bildhaft vorstellen kann.

Die Geschichte der Familie steht für viele Familiengeschichten in den Nachkriegsjahren. Etwas außergewöhnlich erscheint es aber, dass hier die Mutter und nicht der Vater vermisst wird.

Der Vater mit seinen eher klassischen Vorstellungen eines Familienlebens trifft auf eine junge Frau, die gerne schreibt und sich aufgrund ihrer Erlebnisse für Veränderungen in der Gesellschaft stark machen möchte. Zunächst fügt sie sich dem Wunsch des Vaters. Doch als sie mehr und mehr Einblicke in das gesellschaftliche Leben durch ihre Erfahrungen im Waisenhaus erlangt, muss sie sich dem Vater heimlich widersetzen.

Der Roman ist sehr abwechslungsreich und lebendig erzählt. Neben den zahlreichen Schauplätzen in Köln, die ich durch einige Besuche in dieser Stadt kenne, erfährt man vieles über den Wiederaufbau und das Wirtschaftswunder in den 1950er Jahren in Deutschland.

Das Zusammenleben von mehreren Generationen mit unterschiedlicher Herkunft, zeigt die Autorin gekonnt mit den Bewohnern des Hauses auf, in dem Helga und ihre Familie wohnen.

Mir hat dieser Roman rundum gut gefallen.

Fazit:
Wer Familiengeschichten/geheimnisse gerne liest, die auch einen besonderen geschichtlichen Hintergrund bieten, dem sei dieses Buch empfohlen. Mich hat das Buch sehr berührt.

GEWINNSPIEL zu diesem Buch anlässlich der BLOGTOUR zu „Findelmädchen“ vom 08.08.2022 bis 13.08.2022:

https://chrissisbuntelesecouch.wordpress.com/gewinnspiele/

Werbung

Wenn die Hoffnung erwacht (Lilli Beck)

Eine ganz besondere Familiengeschichte

Ich mag die Bücher von Lilli Beck, bisher hat mich keines enttäuscht.

Beschreibung des Buches:
„Wenn die Hoffnung erwacht“ von Lilli Beck ist 2021 im blanvalet-Verlag als Hardcover mit 478 Seiten erschienen.

Das Cover ist unauffällig mit einem schwarz/weiß-Foto gestaltet, es hätte mich nicht unbedingt angesprochen.

Kurze Zusammenfassung:
Nora wächst in Regensburg auf. Es ist das Jahr 1947 als sie auf einer Silvesterfeier den US-Officer William kennenlernt. Zunächst muss sie ihre Liebe zu ihm geheim halten, denn der strenge Vater hält so gar nichts von den „Amis“. Als William in die Heimat zurück beordert wird und Nora ihre Schwangerschaft dem Vater gestehen muss, plant dieser eine Heirat mit einem einflussreichen Geschäftsmann. Nora flieht deshalb bald nach der Geburt ihres Sohnes nach München. Hier findet sie durch eine schicksalhafte Begegnung Unterschlupf bei einer Familie…

Mein Leseeindruck:
Dieses Buch hat alles, was einen Familienroman für mich ausmacht: Es ist spannend bis zur letzten Seite, es erzählt die Geschichte einer Person im Besonderen, es spart auch nicht mit geschichtlichen Hintergründen, es weckt Emotionen und es lässt einen tagelang nicht los.

Ich konnte mich gut in die Geschichte hineinversetzen, u. a. auch, weil mir die Städte Regensburg und München bekannt sind. So konnte ich mir bestimmte Szenen besonders gut vorstellen.

Das Leben im Nachkriegsdeutschland wird hier am Beispiel von zwei ganz verschiedenen Familien recht gut beschrieben.

Interessant finde ich in diesem Buch den Einblick in das Entstehen einer Zeitschrift und hier insbesondere die Arbeit von Nora und dem Neffen der Münchner Familie. Noras Entwicklung als „selbstbestimmte“ Frau ist hier gut zu verfolgen, auch wenn ihr teilweise hier die damals gültigen Deutschen Gesetze manches Mal im Wege stehen.

Die eigentliche „Liebesgeschichte“ von Nora und William bleibt somit eher im Hintergrund – auch wenn es Noras größter Wunsch ist, William zu finden…

Das Buch weckt Emotionen, es berührt und lässt nicht los. Gerade am Ende wird es für mich fast zu dramatisch…aber, lest selbst, es lohnt sich!

Fazit:
Mich hat das Buch berührt, ich habe mit Nora mitgefiebert. Auch nachdem ich das Buch weggelegt habe, gehen mir die mitwirkenden Personen nicht aus dem Kopf, eine solche Nachwirkung hat das Buch auf mich. Eines meiner Highlights aus dem Jahr 2021.

Bewertung: ***** von *****

Die Buchhändlerin (Ines Thorn)

Auftakt zu einer Reihe – Literaturleidenschaft

Da ich als Vielleserin regelmäßig in einer Buchhandlung aushelfe, auch wenn ich keine Buchhändlerin bin, hat mich dieser Titel sofort angesprochen.

Beschreibung des Buches:
„Die Buchhändlerin“ von Ines Thorn ist im rowohlt Verlag 2021 als Taschenbuch mit 336 Seiten erschienen. Ich habe die eBook-Variante gelesen.

Auf dem Titelbild sieht man eine junge Frau, die vor einer üppig gefüllten Buchhandlung steht.

Kurze Zusammenfassung:
Christa ist in Frankfurt am Main aufgewachsen. Hier lebt und führt sie die Buchhandlung ihres Onkels, obwohl sie lieber Germanistik studiert hätte. Sie wurde als Frau nicht zum Studium zugelassen. Es ist kurz nach dem 2. Weltkrieg, die Buchhandlung wurde zuvor von den Nationalsozialisten enteignet. Nach den schrecklichen Ereignissen des 2. Weltkriegs ist die Nachfrage an Büchern groß. Doch Christa sieht ihre Zukunft nicht in der Buchhandlung…

Mein Leseeindruck:
Dieses Buch hat mich während meiner Urlaubstage gefesselt. Es bietet einen großartigen Einblick in die 1940er Jahre, hier in Frankfurt am Main, meiner Lieblingsstadt.

Christas Familie steht im Mittelpunkt, der im Krieg vermisste Vater, der Onkel, der Männer liebt, Heinz, ein Waisenjunge, den Christa unter ihre Fittiche nimmt – eine Familie, die in allen Bereichen durch den Krieg gebeutelt wurde und eine junge Frau, die ihr Glück sucht.

Der Fokus ist auf Christa gerichtet – ihre Gedanken, Wünsche und Sehnsüchte beschreibt die Autorin sehr gefühlvoll.

Die Atmosphäre in der Stadt, die Zerstörung, der Einzug der Amerikaner, all das wird hier angesprochen, war mir teilweise nicht (für Frankfurt) bekannt.

Die Autorin gibt hier einen groben Überblick über die Geschehnisse kurz vor Kriegsende und die ersten Jahre danach. Einiges ist nur angesprochen, wird aber nicht vertieft.

Ein besonderer Aspekt in diesem Buch ist natürlich das Verlagswesen und die Literatur. Hier bekommt man einen guten Einblick.

Das zweite große Thema ist die Stellung der Frau in der Gesellschaft. Christas Mutter würde die Tochter lieber heute als morgen verheiraten. Sie schickt sie sogar auf eine Haushaltsschule, obwohl Christa Literatur studieren möchte. So versucht Christa beidem gerecht zu werden – ihrer Mutter und ihren eigenen Wünschen, was leider nicht immer gelingt…

Fazit:
Das ist ein Buch für Frankfurt- und Literaturliebhaber. Auf den nächsten Teil dieser Reihe freue ich mich schon jetzt.

Bewertung: **** von *****