Mein Sommer mit Anja (Steffen Schroeder)

Sehr gefühlvolles Buch über eine besondere erste Liebe – Erinnerungen an die eigene Jugend

Steffen Schroeder ist Schauspieler  u.a. in der ZDF Serie „SOKO Leipzig“. Er hat bereits ein sehr interessantes und aufschlussreiches Buch über seine ehrenamtliche Tätigkeit (Vollzugshelfer) Betreuung/Besuche eines Gefängnisinsassen geschrieben.

Beschreibung des Buches:
„Mein Sommer mit Anja“ ist im rowohlt Verlag 2020 als Hardcover Buch erschienen. Es hat 204 Seiten, einen Schutzumschlag und ein gelbes Lesebändchen. Das Titelbild ist eher schlicht gehalten – blaues Mosaik auf weißem Untergrund. Es erinnert tatsächlich an ein Schwimmbecken, was in diesem Buch eine zentrale Rolle spielt.

Kurze Zusammenfassung:
Ein Sommer in der 1980ern: Konrad verbringt die meiste Zeit mit seinem geistig leicht behinderten Freund Holger im Freibad. Da lernen die Zwei Anja, ein eher burschikoses Mädchen mit kurzen, dunklen Haaren, kennen. Was zunächst nur wie eine Freundschaft zu Dritt aussieht, entwickelt sich zu einer Art Liebesbeziehung. Konrad versorgt Anja, die aus einem Heim geflohen ist, mit allen wichtigen Dingen des Lebens.  Gemeinsam sind sie an den heißen Sommertagen unterwegs. Wie lange wird ihre Freundschaft oder ist es doch Liebe halten?

Mein Leseeindruck:
Die Geschichte ist aus der Sicht Konrads erzählt. Konrad ist in den 1980ern ein eigentlich ganz normaler Teenager mit den üblichen Zweifeln und Aufsässigkeitsmomenten eines Pubertierenden. Und trotzdem ist er anders als seine Klassenkameraden. Er behandelt seine Freunde fürsorglich, das gilt für seinen Freund Holger als auch für das zunächst unbekannte Mädchen Anja.

Konrad nimmt seine Welt in diesem Sommer ganz besonders intensiv wahr. Er ist auf dem Weg sich das erste Mal so richtig zu verlieben, da sind seine Gedanken zuweilen hin- und hergerissen.

Bei den Beschreibungen, wie Konrad seine Freizeit verbringt, konnte ich mich direkt in meine Kindheit und Jugend hineinversetzen. Die einzelnen Szenen sind so toll beschrieben, dass man sich wie hineinversetzt fühlt, auch ich habe so manchen Ferien-Sommertag im Freibad oder auch im nahe gelegenen Wald verbracht…

Neben den ganz wunderbaren Beschreibungen der Sommertage mit den Freunden, findet man in diesem Buch auch kleinere Episoden von Geschichten/Märchen, die sich Anja und Konrad auf ganz liebevolle Weise erzählen.

Fazit:
Ich habe dieses Buch verschlungen. Es ist einfach wunderbar geschrieben. Der Schreibstil ist unheimlich gefühlvoll. Die Szenen werden sehr detailverliebt beschrieben und die Geschichte um die drei Jugendlichen ist einfach etwas, was sehr berührt.

Bewertung: ***** von *****

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Samstagabendhelden (Tim Pröse)

Weckt Erinnerungen

Mit dem „Familienfernsehabendprogramm“ an Samstagen bin ich aufgewachsen. Ich „kenne“ alle im Buch vorgestellten Fernsehgrößen…

Beschreibung des Buches:
„Samstagabendhelden“ von Tim Pröse ist 2018 als Hardcover mit 347 Seiten im HEYNE-Verlag erschienen. Auf dem in Blau gehaltenen Titelbild sind 12 bekannte, lebende, aber auch schon verstorbene „Fernsehgrößen“ in kleinen runden gelben Bildchen zu sehen.

Kurze Zusammenfassung:
Thomas Gottschalk, Udo Lindenberg, Alfred Biolek, Udo Jürgens – aber auch Pierre Brice oder auch Loriot – ihnen alen ist Tim Pröse, Autor und Journalist, begegnet, hat sie interviewt. Während seiner Zeit als Redakteur des Focus schrieb er zahlreiche Porträts über bekannte Persönlichkeiten.

Mein Leseeindruck:
Das Buch beginnt mit einem Porträt über Udo Lindenberg – und endet mit einer Begegnung mit Udo Lindenberg. Dazwischen stellt Tim Pröse in weiteren 18 Kapiteln die bekanntesten Fernseh- und Filmmenschen in Porträts und mit teilweise sehr persönlichen Begegnungen vor.

Seine Texte sind sehr einfühlsam, er schreibt über seine ganz persönlichen Eindrücke, sei es, dass er über Friedhöfe läuft und die Gräber der schon Verstorbenen beschreibt, aber auch dann, wenn er von seinen persönlichen Fernsehschau-Erfahrungen und seine Treffen mit einzelnen „Fernsehstars“ berichtet.

Die Persönlichkeiten sind gut ausgewählt, ich kann mich tatsächlich an ALLE Menschen erinnern, denen Tim Pröse ein paar Zeilen oder sogar mehrere Seiten widmet. Hier werden Erinnerungen wach. Ich habe hier von so manch anderer Seite der sogenannten „Stars“ erfahren – gerade wenn es um die ganz persönlichen Gespräche geht. Viele der bereits verstorbenen Porträtierten hat Tim Pröse sogar als letzter Journalist besucht und interviewt.

Tim Pröse muss offensichtlich einen „guten Draht“ zu vielen der Fernsehgrößen haben, denn z.B. Barbara Schöneberger lässt nicht jeden in ihre 4 Wände. Ihre Familie ist ihr „heilig“ und sie schafft es tatsächlich, dass kaum einer etwas über ihre Kinder und ihren Ehemann erfährt. Tim Pröse durfte sie in ihrer Wohnung besuchen und lernte sogar ihre Eltern und ihr erstgeborenes Kind kennen.

Manch ein Show-Star öffnet Tim Pröse sein Herz. Er ist den Menschen während seiner Interviews ganz nahe. So erfährt man einiges über die Anfänge mancher Fernsehstars, über deren Ängste, aber auch über die Freuden und Zukunftspläne.

Mich haben besonders die Kapitel über Alfred Biolek und Pierre Brice beeindruckt. Hier musste ich parallel zum Lesen auch im Internet nach besonderen Auftritten, Musik und Gesang schauen. Das hat mich sehr berührt und in Erinnerungen schwelgen lassen.

Das ganze Buch ist eine Zeitreise in die Geschichte des Fernsehens – mit seinen Filmen und Shows, mit seinen Schauspielern und Showstars. Ich habe es sehr genossen in diese Welt einzutauchen und mich zu erinnern: Horst Frank in Timm Thaler, Evelyn Hamann, Diether Krebs, Loriot, Günter Strack, um nur einige zu nennen, sie fehlen in unserer heutigen Medienlandschaft.

Fazit:
Mir hat diese „Reise“ in die Vergangenheit Spaß gemacht. Tim Pröse ist ein guter Erzähler, seine Begegnungen sind wunderbar beschrieben. Er lässt uns eintauchen in die Anfänge des Show-Fernsehens und der „Samstagabendunterhaltung“.

Bewertung: ***** von *****

Den Koffer trag ich selber: Erinnerungen (Eva Demski)

Eva Demskis Lebensreise, begleitet von Lebenden und Toten

Vor Jahren war ich auf einer Lesung von Eva Demski, sie stelle ihr Buch „Gartengeschichten“ vor. Schon dort haben mich ihre Geschichten aus ihrem Leben fasziniert. Damals habe ich das vorgestellte Buch gekauft und an eine Freundin mit großem Garten verschenkt. Da ich von der Freundin ein tolles Feedback über das Buch bekommen hatte, bekam eine ehemalige Kollegin von mir zum ihrem Abschied das Buch „Frankfurt ist anders“ (ebenfalls von Eva Demski) als Abschiedsgeschenk. Und auch von ihr erntete ich eine positive Resonanz. Jetzt wollte ich das neuste Buch von Eva Demski einmal selbst lesen – und es hat sich gelohnt.

Beschreibung des Buches:
„Den Koffer trag ich selber: Erinnerungen“ von Eva Demski ist 2017 im INSEL Verlag als Hardcover mit 395 Seiten erschienen.

Das Titelbild ziert ein geöffneter Koffer mit Büchern und Heften als Inhalt. Ein grünes Heft fällt ins Auge…das hat im Buch eine besondere Bedeutung.

Kurze Zusammenfassung:
Eva Demski hat ihr Leben beschrieben. Sie hat das Buch in sehr unterschiedlich große Kapitel unterteilt, die ihre verschiedenen Lebensphasen beschreiben. Über das Aufwachsen im beschaulichen Regensburg, Frankfurt und die verschiedenen Schulstationen, das Studentenleben, das Leben im Theater (an der Seite ihres Vaters) und das Verhältnis zu ihren Großeltern und Eltern. Es sind Erinnerungen, die nicht immer chronologisch vorgetragen werden.

Mein Leseeindruck:
Der Beginn des Buches wirkte zunächst etwas skurril auf mich. Eva Demski (geboren 1944) streift über die Frankfurter Buchmesse und läuft den längst schon verstorbenen Autoren, Dichter und Verleger über den Weg. Sie kann sie sehen und beschreiben.

Ihr Sprachstil ist großartig aber auch gewöhnungsbedürftig, manchmal kurz und treffend, aber immer sehr anschaulich beschreibend mit viel Witz und Humor und auch mit dunklen Gedanken.

Im Laufe des Buches wird mir immer klarer, warum Eva Demski einen besonderen Bezug zu Toten hat. Sie hat in ihrem Leben schon früh die Menschen verloren, die eine besondere Bedeutung in ihrem Leben hatten.

Während die Eltern das Leben ihrer Tochter eher mit einer gewissen Sorglosigkeit bedachten, indem sie sich wenig darum kümmerten, hatte sie immer einen guten Bezug zu ihrem Großvater und dessen Verwandten. Schon früh versuchte Eva Demski deshalb ihren eigenen Weg zu suchen und mit vielen verschiedenen Menschen ihren Alltag und Lebensweg zu gehen.

Mir gefällt ihr Humor, gerade wenn sie z.B. beschreibt, was man mit dem Studiengang Germanistik, Philosophie, Kunstgeschichte macht? Antwort: „Damit wurde man nichts, höchstens Lehrer, und das war schlimmer als nichts.“

Es sind Erinnerungen und Momentaufnahmen an schöne aber auch an viele traurige Tage, ein Leben farbig, aufwühlend und doch so anders als ich es aus der Generation meiner Eltern kenne. Eva Demski hat viel erlebt. Es mag an ihrer unbändigen Leidenschaft liegen mit Menschen zu reden, Filme über Menschen und deren Leben (wie z.B. Marcel Reich-Ranicki, der ihr ein guter Freund war) zu drehen (als freie Mitarbeiterin des Hessischen Rundfunks u.a. für die Sendung ttt (titel thesen tempramente).

Ihre Lebenslust zeigt sich dann, wenn sie von ihren vielen Reisen, großen Geburtstagsfeiern oder z.B. einer Silvesterfeier auf einem gechartertem Mainschiff zur Jahrtausendwende erzählt. Solche Geschichten kenne ich von meinen Eltern so gar nicht und die gehören der gleichen Generation wie Eva Demski an.

Die Gedanken zu den mittlerweile zahlreichen „besonderen“ Ereignissen in der Weltgeschichte, fallen mir ins Auge. Weil immer nur bestimmte Ereignisse ins Bild gesetzt werden, fallen die anderen oft viel nachhaltiger wirkenden und schlimmeren Ereignisse nicht auf. Zitat: „Es sind die Bilder, die auf unserer Wahrnehmung kleben und sich nicht davon ablösen lassen.“

Ich habe einfach viel zu viele Knicke in dieses Buch gemacht…kann gar nicht alles zitieren, was mir in Erinnerung bleiben möchte….

Fazit
Dieses Buch hat mich nachhaltig fasziniert, ich könnte immer und immer wieder darin lesen. Es sind die kleinen Geschichten und Gedanken von Begegnungen mit Menschen, die das Buch so lesenswert machen. Ein tolles Buch!

Bewertung: *****

Mofaheld (Lars Niedereichholz)

Nicht nur für (erwachsene) Männer

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Eine Zeitreise in das Jahr 1986 – genau meine Zeit. Schon der Klappentext ließ mich schmunzeln…

Beschreibung des Buches:
Der Autor Lars Niedereichholz ist als Teil des Duos Mundstuhl, 1968 geboren und aufgewachsen im Rhein-Main-Gebiet. Sein Roman „Mofaheld“ ist März 2016 als Taschenbuch im Rowohlt-Polaris-Verlag erschienen. Das Buch ist komplett in kräftig gelber Farbe gestaltet. Auf dem Titelbild sieht man pinkfarben skizziert eine Brille mit kreisrunden Gläsern, ein Mofa und eine Kassette. Alles Dinge, die an die 80er Jahre erinnern.

Kurze Zusammenfassung:
Der erwachsene Protagonist Marc entrümpelt das Haus (Reihenhaus) seiner Eltern, denn diese wollen in eine Seniorenwohnung ziehen. Dabei stößt er auf viele Erinnerungsstücke, die ihn an die Zeit der 80er Jahre erinnern: Und plötzlich ist er mittendrin in den Ereignissen rund um sein Leben im Jahr 1986. Lars Niedereichholz erzählt Episoden aus 1986, angereichert mit Geschehnissen aus diesem Jahr, wie z.B. des Challenger Absturzes und die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl.

Mein Leseeindruck:
Das Buch ist aufgeteilt nach Wochentagen im April 1986. Eigentlich wird hier nur eine ganze Woche im Leben von Marc in der Ich-Form erzählt. Aber was dieser in den 7 Tagen erlebt, das könnte auch in mehreren Jahren und mehreren Personen widerfahren sein. Der Autor hat so Vieles an Beschreibungen von Dingen, Personen, Gefühlen und Gerüchen in seine Anekdoten hineingepackt, dass man sich richtig in die Zeit zurückversetzt fühlt.

Der arme Marc: Eltern, die ihn nicht verstehen, eine kleine Schwester, die nervt und der senile Opa im Kellerzimmer des Reihenhauses, in dem es auch noch einen Hund, diverse Meerschweinchen, Wasserschildkröten und Urzeitkrebse gibt. Dass man hier nicht „normal“ aufwachsen kann, ist fast schon vorprogrammiert ;-).

Ich konnte mich zwar (als Frau) nicht so ganz in die Denkweise und die Gefühle von Marc hineinversetzen, aber das mehr oder weniger männliche Verhalten des Protagonisten kam mir als damals fast Gleichaltrige doch recht bekannt vor auch wenn einige Dinge doch etwas übertrieben erzählt werden (wie das ja meist so bei Kindheitserinnerungen der Fall ist). Eigentlich wartet man beim Lesen ständig darauf, dass Marc wieder irgendeine Dummheit anstellt, die einem zum Schmunzeln bringt.

Ja, schmunzeln und lachen kann man bei diesem Buch! Zum Beispiel beim Zungenkuss zwischen zwei Zahnspangen belasteten Jugendlichen. Was da nicht alles passieren kann…
Auch die nächtlichen Ausflüge (als Kleinstädter) in die Großstadt Frankfurt halten so mancherlei sonderbare Erlebnisse bereit.

Gut gefallen hat mir, dass Lars Niedereichholz am Ende des Buches den Lebensweg seiner Protagonisten aufgeschrieben hat.

Fazit:
Ein Buch für „Best Ager“, die sich gerne an die „gute alte Zeit“ erinnern wollen. Prima geeignet als Geschenk für den nächsten runden Geburtstag.

Bewertung: ****