Das zweite Geheimnis (Titus Müller)

Ein Leben in Ost-Berlin

Nachdem ich schon „Die fremde Spionin“ gelesen habe, wollte ich natürlich wissen, wie es mit Ria Nachtmann weitergeht.

Beschreibung des Buches:
„Das zweite Geheimnis“ von Titus Müller ist 2022 im HEYNE-Verlag als Taschenbuch erschienen. Der Roman hat 431 Seiten.

Auf dem Titelbild ist das Brandenburger Tor mit einem Trabi und Grenzwachen abgebildet, passend zum Inhalt des Buches.

Kurze Zusammenfassung:
Zwölf Jahre nach dem Mauerbau hat sich Ria Nachtmann mit ihrem Leben arrangiert. Doch die Liebe zum westdeutschen Journalisten Jens ist so stark, dass sie ein Treffen im Urlaub in Ungarn mit ihm plant. Das kurze Wiedersehen wird ihr zum Verhängnis…

Am Ende des Buches findet man eine Literaturangabe von Büchern und Quellen, die zur Recherche dieses Buches dienten.

Mein Leseeindruck:
Mir hat schon der erste Band diese Trilogie sehr gut gefallen. Diese Romane beinhalten geschichtliche Personen verbunden mit erdachten Personen.

Der Roman beschreibt die Realität in den 1970er Jahren sehr gut. An vieles kann ich mich auch erinnern, weil hier nicht nur Ostdeutsche sondern auch Westdeutsche Geschichte beschrieben ist.

Der Schreibstil des Autors gefällt mir. Die einzelnen Szenen sind anschaulich beschrieben, die Charaktere sehr gut herausgearbeitet. Die Kapitel, die meist eine der vielen Personen zum Inhalt haben, sind recht kurz gehalten. So kann man sich Abend für Abend dieses Buch vornehmen.

Für mich war es schon wichtig, den ersten Band gelesen zu haben, sonst hätten mich die Beziehungen der Personen zueinander doch noch mehr überfordert als es das nach dem Lesen des 1. Bandes vor ein paar Monaten trotzdem schon ein wenig getan hat.

Besonders gut haben mir die vielen Szenen an Schauplätzen in Ostberlin gefallen, die ich von meinen Besuchen in Berlin so richtig beim Lesen vor Augen habe und den damit verbundenen Vergleich zu heute – dass es keine Grenze/Mauer mehr gibt.

Fazit:
Ein lesenswertes Buch, das aber auf den ersten Band aufbaut. Deshalb empfehle ich hier, vorher „Die fremde Spionin“ zu lesen.

Bewertung: **** von *****

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Sturmvögel (Manuela Golz)

Eine starke Frau – ein Leben im 20. Jahrhundert in Deutschland

Mich hat der Klappentext dieses Buches angesprochen.

Beschreibung des Buches:
„Sturmvögel“ von Manuela Golz ist 2021 als Hardcover mit 326 Seiten im DuMont Buchverlag erschienen. Das Cover ist schlicht gehalten. Das Buch verfügt über ein gelbes Lesebändchen.

Kurze Zusammenfassung:
Geboren 1907 und aufgewachsen auf einer Nordseeinsel muss Emmy die Insel mit 14 Jahren Richtung Berlin verlassen. Nach einer ersten Anstellung als Dienstmädchen, Ehe und drei Kindern überlebt sie den Zweiten Weltkrieg mit viel Kraft und Humor. Mit 86 Jahren schaut sie zurück auf ihr Leben – und hat für ihre Kinder eine ganz besondere Überraschung parat…  

Mein Leseeindruck:
Ein sehr warmherziges Buch halte ich hier in den Händen. Die Autorin beschreibt gekonnt und mit viel Gefühl das Aufwachsen und Leben von Emmy. Dabei erlebt man hier Deutsche Geschichte, den ersten und den zweiten Weltkrieg, den Überlebenskampf einer starken Frau, die auch ihre drei Kinder durch die schweren Jahre mit einem schwierigen Ehemann und Schwiegereltern durchbringt.

Ein wenig schwierig fand ich beim Lesen die so unterschiedlichen Zeitsprünge. Angefangen im Jahr 1994 mit Rücksprung ins Jahr 1914, dann wieder ins Jahr 1994 und zurück ins Jahr 1974. Danach wieder in die Jahre 1870 – 1921. Um dann wieder im Jahr 1981 den Roman fortzusetzen – mit weiteren Rücksprüngen.

Mir hat an diesem Buch sehr gut gefallen, dass hier Deutsche Geschichte anhand einer sehr besonderen Frau erzählt wird. Die Rückblicke passen manchmal recht gut, ab und an fällt es einem aber auch schwer hier den Überblick zu behalten.

Das Ende gefällt mir hier ganz besonders gut. Man darf gespannt sein!

Fazit:
Ein schöner Roman begleitet hier das Leben einer starken Frau – lesenswert!

Bewertung: **** von *****

Kein Wunder (Frank Goosen)

Deutsch-deutsche Geschichte kurz vor dem Mauerfall

In der Bücherei bei den Neuerscheinungen gefunden: Mich haben das Cover und dann auch noch der Klappentext dieses Buches angesprochen.

Beschreibung des Buches:
„Kein Wunder“ ist 2019 im Verlag Kiepenheuer und Witsch als Hardcover mit 349 Seiten erschienen. Das Titelbild ist gemustert mit dem Bild eines Camping-Gaskochers der Marke Juwel, der in diesem Roman eine besondere Bedeutung einnimmt.

Kurze Zusammenfassung:
Förster, Fränge und Brocki sind Anfang 20 und kommen ursprünglich alle aus Bochum, wo sie sich seit der Schulzeit kennen. Fränge lebt mittlerweile in West-Berlin, die Freunde besuchen ihn regelmäßig. So auch in den Wochen und Monaten vor dem Mauerfall im Jahr 1989. Fränge führt ein kleines Doppelleben, er hat in West-Berlin Marta und im Osten der Stadt Rosa als Freundin. Mit seinem Zwangsumtausch-Geld kauft er regelmäßig einen Camping-Gaskocher der Marke Juwel, den er dann im Westen teuer wieder verkauft. Als die drei Freunde wieder einmal Rosa in Ost-Berlin besuchen, fühlt sich Förster zu der so ganz anders aufgewachsenen jungen Frau hingezogen…

Mein Leseeindruck:
Dieser Roman lebt von der Kommunikation unter den Protagonisten. Ihr Austausch über die jeweiligen Gegebenheiten in ihrer Heimat, die Beschreibungen des Ostens Berlins vor der Wiedervereinigung, dem Wissen des Lesers, dass der Mauerfall kurz bevorsteht – das macht dieses Buch so lesenswert. Auch ganz besonders dann, wenn man in dieser Zeit im gleichen Alter war.

Mir haben die so humorvoll erzählten Szenen gefallen – sei es über die Eltern der jungen Männer aus dem Ruhrpott als auch die Gegebenheiten in Ost-Berlin, wenn es um das Verhältnis von Rosa zu ihren Eltern bzw. deren Beziehung zueinander geht.

In die Stadt Berlin hineinversetzt fühlte ich mich, wenn es um die mir bekannten Plätze und Straßen ging, die ich vornehmlich während Reisen nach dem Mauerfall kennen gelernt habe. Mit 16 Jahren war ich tatsächlich auch einmal in Ost-Berlin. Lleider kann ich mich nur noch an den Grenzübertritt erinnern. Einzelne Plätze, die wir im Rahmen einer Führung besuchen konnten, sind mir leider nicht in Erinnerung geblieben.

Das Buch zeigt hier anhand der Protagonisten die doch so unterschiedliche Prägung, den elterlichen Hintergrund und das Aufwachsen in zwei doch so verschiedenen Systemen.

Ich finde, dem Autor ist es ganz wunderbar gelungen, einen humorvollen Roman mit viel Tiefgang zu schreiben, der beim Lesen unterhält, jüngste deutsche Geschichte beschreibt und zum darüber-Reden anregt.

Fazit:
Mir hat der Roman sehr gut gefallen, nicht zuletzt, weil er auf humorvolle Wiese und sehr authentisch die Menschen aus Ost- und West-Deutschland beschreibt.

Bewertung: ***** von *****

Leas Spuren (Bettina Storks)

Geheimnisvolle Familien-/Liebesgeschichte – Spannung, Liebe, Deutsch/Französische Geschichte während des 2. Weltkrieges

Mich hat das Titelbild, aber auch der Klappentext angesprochen.

Beschreibung des Buches:
„Leas Spuren“ von Bettina Storks ist 2019 im Diana-Verlag als Taschenbuch mit 464 Seiten erschienen. Auf dem Titelbild sieht man ein schick gekleidetes Paar, das sich offensichtlich in Paris befindet.

Kurze Zusammenfassung:
Historikerin Marie und der französische Journalist Nicolas erben im Jahr 2016 gemeinsam eine Wohnung mitten in Paris. Mit dem Erbe ist eine Aufgabe verbunden, sie sollen ein im 2. Weltkrieg verschwundenes Gemälde finden und einer möglichen Überlebenden einer jüdischen Pariser Familie wiedergeben. Maries Großtante Charlotte Schneider und Nicolas Großvater Victor Blanc waren offensichtlich ein Paar in der Besatzungszeit des Zweiten Weltkrieges…

Mein Leseeindruck:
Diese spannende und geheimnisvolle Liebesgeschichte ist in zwei verschiedenen Zeitebenen erzählt: Aus Nicolas und Maries Perspektive 2016 (Paris und Stuttgart) als auch während des Zweiten Weltkrieges mit der Sicht auf Charlotte und Victor.

Man erlebt die Wirren und die schrecklichen Vorkommnisse während der Besatzungszeit in Paris. Mit der kleinen Liebesgeschichte zwischen Charlotte und Victor wird die ganze schreckliche Zeit noch deutlicher. Nur nach und nach ergibt sich ein Bild, was es genau mit dem Gemälde auf sich hat.

Marie lässt in ihren Nachforschungen nicht locker, nach und nach wird deutlich, dass ihr nicht allein das Erbe der Wohnung wichtig ist, sondern, dass die rechtmäßige Eigentümerin und natürlich das Gemälde gefunden werden. Nach und nach kommen sich auch Marie und Nicolas während ihrer gemeinsamen Nachforschungen näher.

Der Autorin ist es gelungen, dass ich dieses Buch fast nicht aus der Hand legen konnte. Es hat mich auf einer langen Autofahrt gefesselt: Spannung, Liebesgeschichte und Deutsche Geschichte – alles in einem Roman vereint – das ist gelungen.

Fazit:
Der Roman hat mich fasziniert. Er war spannend, sehr realitätsnah und geheimnisvoll.

Bewertung: ***** von *****

Böse Schatten (Christian v. Ditfurth)

Schatten der Vergangenheit

Siebter Band einer Serie um Josef Maria Stachelmann – Privatermittler und frisch berufener Uni-Professor

Beschreibung des Buches:
Der Krimi „Böse Schatten“ ist im Penguin Verlag 2018 als Taschenbuch mit 414 Seiten erschienen. Der Autor Christiane v. Ditfurth hat bereits mehrere Krimis in mehreren Reihen veröffentlicht.

Auf dem Cover erkennt man unter Nebel Gebäude in Hamburg, die von Wasser umringt sind.

Kurze Zusammenfassung:
Beim Vergraben einer toten Katze findet der Vater einer Familie die Leiche eines vor 25 Jahren verschwundenen Mannes. Man stellt fest, dass dieser offensichtlich zu Tode gefoltert wurde. Nachdem die Polizei mit ihren Ermittlungen nicht weiterkommt, wird der Ex-Privatdetektiv und frisch berufene Professor Josef Maria Stachelmann um Hilfe gebeten. Es handelt sich um seinen 7. Fall, den er hier in Hamburg lösen soll. Schnell wird deutlich, dass hier die deutsch-deutsche Geschichte Dreh und Angelpunkt des Ganzen ist…

Mein Leseeindruck:
Bisher habe ich noch keinen Krimi aus der Reihe um Josef Maria Stachelmann gelesen.

Ermittelnde Personen sind der frisch ernannte Professor, sein junger Freund Georgie und Kriminalkommissarin Rebekka Kranz. Sie haben ihre ganz eigenen Ermittlungsmethoden, bilden aber ein interessantes Team mit viel Potential – und so einigen Querelen untereinander.

Während sich Stachelmann nach einem Anschlag auf das Auto seiner Lebensgefährtin von ihr trennt, um sie nicht weiter zu gefährden, kommen er und die Kommissarin sich während ihrer Suche nach den Hintergründen des Mordes näher, was die Ermittlungen nicht unbedingt vereinfacht.

Der Krimi spielt in Hamburg als auch in Berlin. Es passiert beim Lesen so manches Mal, dass man nicht genau weiß, wo befindet sich der Protagonist gerade bzw. wie ist er dort so schnell hingereist. Diese verschiedenen Perspektivwechsel sind oftmals nicht so leicht zu erfassen, zumal hier nicht hauptsächlich der Fokus auf die Ermittlung gelegt wird, sondern auch auf die vermeintlichen Täter.

Was mich am Anfang des Krimis ein bisschen störte, war, dass der Autor oftmals nur die Nachnamen nennt, wenn er von den handelnden Personen schreibt, das hat mich bei den weiblichen Protagonisten etwas irritiert…

Hervorheben möchte ich, dass man bei diesem Krimi so einiges an Hintergrundwissen über die deutsch-deutsche Geschichte erfährt.

Auch wenn dieser Krimi nicht durchweg spannend ist, weil er sich in einigen Nebensächlichkeiten verstrickt, so fand ich ihn aufgrund seiner Charaktere und des Themas sehr interessant.

Fazit:
Ein gelungener Krimi, der mich auf einer längeren Autofahrt gut unterhalten hat. Ich könnte mir vorstellen, noch weitere Fälle mit Josef Maria Stachelmann zu lesen.

Bewertung: **** von *****

Eine Familie in Deutschland (Peter Prange)

Hautnah erlebte Deutsche Geschichte – eine Familie erlebt die NS Zeit

Ich mag die Bücher des Autors Peter Prange, auch die Verfilmung seines Romans „Das Bernstein-Amulett“ fand ich sehr gelungen. Bisher haben mich seine Bücher sehr beeindruckt.

Beschreibung des Buches:
„Eine Familie in Deutschland“ von Peter Prange ist im Scherz Verlag 2018 als Hardcover mit 672 Seiten erschienen. Ich habe die eBook-Variante gelesen.

Der Autor hat schon einige erfolgreiche Bücher geschrieben, sein erster Erfolg kam mit der deutsch-deutschen Familiengeschichte „Das Bernstein-Amulett“, das 2004 für die ARD verfilmt wurde.
Auf dem Titelbild sieht man einige Menschen beim gemeinsamen Essen im Freien. Das Bild wirkt leicht vergilbt. Es ist im Vintage-Stil.

Es handelt sich um den ersten Band einer Familiengeschichte, dem noch ein zweiter Band folgen soll.

Kurze Zusammenfassung:
Peter Prange erzählt in diesem Roman die Geschichte einer Familie in der NS Zeit (hier von 1933 – 1939)  im Wolfsburger Land (hier in der Stadt Fallersleben, damals noch eine eigenständige Gemeinde). Die Familie Ising lebt von ihrer Zuckerfabrik. Man hat ein neues Haus gebaut, die Kinder Georg, Edda, Charly und Horst sind erwachsen und gehen ihren eigenen Berufen nach. Doch das bisher sorgenfreie Leben ändert sich…

Mein Leseeindruck:
Glücklicherweise habe ich dieses Buch mit seinen vielen Seiten als eBook-Ausgabe lesen können, so konnte ich es auch in die Bahn mitnehmen.

Ich habe den Roman mit sehr viel Neugier, Interesse und Mitleid mit den Charakteren gelesen. Er hat mich teils gefesselt, teils sehr traurig gemacht und mir noch einige unbekannte Details aus der Nazi-Zeit näher gebracht.

Zu Beginn sollte man sich erst einmal ein Bild über die handelnden Personen machen, sonst verliert man leicht den Überblick. Im Anhang findet man hier ein Personenregister.

Der Aufbau des Romans ist chronologisch (1933 – 1939), so dass man das Geschehen gut verfolgen kann. Die Schauplätze wechseln oft, da der Roman jedes einzelne Kind der Familie fokussiert. Die Kinder könnten unterschiedlicher nicht sein.

Die Beschreibungen der einzelnen Szenen sind sehr genau. Man kann sich direkt in die Handlung hineinversetzen. Die „Geschichten“ um die Familie Ising ist sehr facettenreich.

Jedes Kind hat sein ganz besonderes „Problem“. Hier schafft es Prange einen Querschnitt der Bevölkerung Deutschlands in den 1930er Jahren aufzuzeigen.

Während der eine Sohn, Horst, sich als treuer Parteifunktionär darstellt, der auch die eigene Familie nicht verschont, gehen die anderen Kinder eher in ihren erlernten Berufen auf.

Sehr interessant fand ich die Entwicklung rund um den Aufbau der Automobil-Fabrik. Die damalige Stadt Fallersleben wurde dann 1945 in Wolfsburg umbenannt, in der noch heute das VW-Werk steht. In Pranges Geschichte ist der Ingenieur Georg, der Sohn der Familie, mit der Entwicklung des Käfers beschäftigt.

Ein weiterer Erzählstrang legt den Fokus auf die Tochter Edda, die mit der in den 1930er Jahren bekannten Filmregisseurin, -produzentin Leni Riefenstahl zusammenarbeitet und –lebt.

Eine weitere Tochter, die Ärztin Charlotte, ist mit einem Juden verheiratet, der Deutschland und Charlotte verlässt, weil er um sein Leben fürchtet. Charlotte wiederum setzt sich für ihren jüngsten Bruder Willy ein, der unter einer Entwicklungsstörung zu leiden scheint.

Der Schreibstil Peter Pranges begeistert mich sehr. Seine Kunst, die Charaktere so unterschiedlich zu entwickeln, gefällt mir ausgesprochen gut.

Es gelingt ihm, das Leben in Deutschland in der NS-Zeit mit seinen Protagonisten einzufangen und ihnen eine ganz eigene Geschichte zu geben, die für viele Menschen in dieser Zeit steht.

In diesem Roman sind neben einer Liebesgeschichte, die Familiengeschichte und ganz besonders reale geschichtliche Elemente vereint. Er bietet zudem auch noch Spannung, weil man mit den Protagonisten mitleidet und hofft, dass sich alles wieder zum Guten wenden könnte.

Fazit:
Wieder einmal hat mich ein Buch von Peter Prange überzeugt. Der Roman ist sehr gelungen. Er hat mich viele Tage (und Wochen) gefesselt. Man kann ihn nicht einfach so „zwischendurch“ lesen.

Bewertung: *****

 

Deutsches Haus (Annette Hess)

Ergreifendes Buch – sollte man gelesen haben!

Ich wusste nicht ganz, was mich beim Lesen dieses Buches erwartet. Irgendwie fehlt mir bei den E-Book-Varianten der Klappentext, den ich mir immer mal wieder während des Lesens des Buches vornehme…

Beschreibung des Buches:
„Deutsches Haus“ ist 2018 im Ullstein-Verlag als Hardcover mit 368 Seiten erschienen. Ich habe die E-Book-Ausgabe gelesen. Auf dem Titelbild sieht man die Protagonistin offensichtlich auf ihrem Weg zur Arbeit.

Die Autorin Annette Hess hat die Drehbücher zur „Ku-damm 56/59 und für die Serie „Weissensee“ geschrieben. Diese Serien haben mir schon sehr gut gefallen. Ich habe alle Teile gesehen.

Kurze Zusammenfassung:
Eva ist Dolmetscherin. Eines Tages wird sie zu einer Befragung eines Zeugen gerufen, in der sie vom Polnischen ins Deutsche übersetzen soll. So ganz wird sie aus ihren Übersetzungen nicht schlau, findet aber in den kommenden Tagen Berichte über einen angekündigten Auschwitz Prozess. Als sie hier ihre neue Hauptaufgabe, das Übersetzen der Zeugenaussagen, findet, raten ihre Eltern, die die Gaststätte „Deutsches Haus“ in Frankfurt am Main betreiben, ab. Doch Eva lässt sich nicht davon abbringen und taucht ein in die Vergangenheit…

Mein Leseeindruck:
Ein Buch, das die Geschichte Deutschlands in den 1960er Jahren mit einem der ersten Auschwitz-Prozesse in Frankfurt am Main beschreibt, der im Saalbau (Bürgerhaus) Gallus von April 1964 bis August 1965 stattgefunden hat.

Die Autorin beschreibt in ihrem Roman sehr feinfühlig das Leben der jungen Eva Bruhns. Die junge Frau arbeitet als Dolmetscherin. Befreundet ist sie mit dem Unternehmer-Sohn Jürgen, der sie heiraten möchte. Sie verloben sich. Als sich Eva immer mehr mit der Arbeit als Dolmetscherin identifiziert, Fragen stellt und in ihrer Familie auf ein großes Schweigen stößt, will ihr Jürgen als zukünftiger Ehemann die Arbeit beim Prozess verbieten.

Doch die Autorin stellt Eva hier als emanzipierte Frau dar, die die Hintergründe um Auschwitz herausbekommen will. Man erhält hier als Leser einen tiefen Einblick in das Leben in den 1960er Jahren, die Anfänge der Aufarbeitung der Geschichte Deutschlands. Gleichzeitig beschreibt die Autorin sehr detailliert die Prozessarbeit des ersten Auschwitz-Prozesses. So fliegt eine große Delegation von Prozessbeteiligten nach Auschwitz, um sich hier vor Ort ein Bild zu machen. Gerade diese Beschreibungen erzeugen eine besondere Betroffenheit beim Lesen.

Neben Eva hat die Autorin auch ein ganz besonderes Augenmerk auf deren Eltern, Evas Schwester Annegret (eine Kinderkrankenschwester) und einen jungen Mitarbeiter des Gerichts gelegt, so dass in diesem Roman die verschiedensten Charaktere und Schicksale zur Sprache kommen.

Der Roman ist spannend und gleichzeitig berührend. Zwar beruht er auf Tatsachen und die Verhandlungsergebnisse sind bekannt, aber Evas Entwicklung in dieser Prozessphase ist frei erfunden, steht aber für viele Schicksale in diesem Land. Eva hinterfragt die vielen Aussagen „Wir haben nichts davon gewusst“, „wenn wir es nicht gemacht hätten, hätten es andere getan“…

Fazit:
Ich könnte mir dieses Buch gut als Pflichtlektüre für die Schule vorstellen. Der Roman macht betroffen. Er zeigt die Gleichgültigkeit vieler Menschen, die Zusammenhänge in der Nazizeit, das Schweigen, das Verleugnen und den Fremdenhass, der sich derzeit wieder massiv aufzubauen droht.

Bewertung: ***** von *****

Wie der Wind und das Meer (Lilli Beck)

Berührender Roman über eine große Liebe

Von Lilli Beck habe ich bereits „Glück und Glas“ gelesen und war begeistert von ihrer Art zu schreiben, deshalb musste ich natürlich auch diese Geschichte lesen.

Beschreibung des Buches:
„Wie der Wind und das Meer“ ist im 2017 im blanvalet-Verlag als Hardcover Buch erschienen. Es hat 512 Seiten. Auf dem Cover sieht man zwei Hände (von einem Mann und einer Frau), die sich berühren. Der Mann geht in die eine Richtung, die Frau wendet sich der anderen Richtung zu – ein sehr passend gewähltes Bild für dieses Buch.

Kurze Zusammenfassung:
Der elfjährige Paul verliert nach einem Bombenangriff im April 1945 in München seine Eltern. Als er in den Straßen umher irrt, trifft er auf das kleine Mädchen Sarah. Da sie seiner Schwester Rosalie sehr ähnlich sieht, beschließen beide sich als Bruder und Schwester auszugeben, damit sie von Behörden nicht getrennt werden.
Nachdem sie längere Zeit in einem Kinderheim verbringen, werden sie von einem Ehepaar aus München adoptiert. Sie machen eine Ausbildung im Familienbetrieb – einem Lebensmittel Großhandel, träumen aber von einem Leben in Amerika, denn sie haben sich ineinander verliebt. Diese heimliche Liebe bleibt nicht ohne Folgen. Sarah erwartet ein Kind. Um die Familie zu schützen flieht sie nach Berlin, wo sie als Synchronsprecherin Arbeit findet. Doch immer wieder kreuzen sich die Wege von Sarah und Paul…

Mein Leseeindruck:
Schon die ersten Seiten dieses Romans haben mich gefesselt. Deutsche Geschichte im Zeitraum von 1945 – 1990 fast hautnah in einer Geschichte zweier Menschen mitzuerleben geht unter die Haut. In 5 Kapiteln, die meist einen Zeitraum von 10 Jahren wiederspiegeln, gelingt es Lilli Beck eine – sicherlich in ihrer Gänze nicht typische – Lebensgeschichte der Kriegsgeneration zu beschreiben. Trotzdem hat sich jede einzelne Begebenheit der zwei Protagonisten aber bestimmt genauso im Deutschland der Nachkriegszeit abgespielt.

Während man die Lebensgeschichte von Sarah und Paul hautnah miterlebt, bekommt man Eindrücke vom Wandel Deutschlands, ein ganz besonderes Augenmerk legt Lilli Beck hier auf das deutsche Wirtschaftswunder. Neben Ölkrise, Bau der Mauer aber auch Hausbesetzungen in Berlin erfährt man auch den ganz persönlichen Aufstieg von Pauls Familienbetrieb. So hat man einen ganz besonderen Einblick in die wirtschaftliche Entwicklung eines Familienbetriebes.

Die großen zeitlichen Kapitel sind in viele kleine Kapitel unterteilt, die teilweise überraschende Handlungsverläufe mit plötzlichen Wendungen beschreiben. Diese lassen den  Roman nie langweilig werden. Manche Kapitel bieten hier echte Cliffhanger, was dazu führte, dass ich das Buch stundenlang nicht aus der Hand legen konnte. Die teils großen Zeitsprünge (der 5 Kapitel) bereiteten mir dieses Mal kein Problem.

Die beiden Charaktere Sarah und Paul wirken authentisch und liebenswert.  An manchen Stellen würde man den ein oder die andere gerne rütteln und dem Schicksal eine andere Wendung bereiten wollen.

Fazit:
Ein sehr ergreifendes Buch, das neben einer ganz besonderen Liebe auch Freundschaft, Spannung und Deutsche Geschichte behandelt.

Bewertung: ***** von *****

Ein Leben ist zu wenig: Die Autobiographie (Gregor Gysi, Hans-Dieter Schütt)

Der Politiker und Mensch Gregor Gysi

 

„Der Mensch“ Gregor Gysi  ist mir in vielen Fernsehsendungen und Parlamentsdebatten „begegnet“. Schon immer fand ich seine erfrischend  humorvolle Art und manche seiner Ideen und Ansichten interessant und nachdenkenswert auch wenn ich politisch nicht engagiert (dafür interessiert) bin und nicht mit seiner Partei sympathisiere.

Beschreibung des Buches:
Das Buch „Ein Leben ist zu wenig: Die Autobiographie“ ist im Oktober 2017 im aufbau Verlag mit 583 Seiten als Hardcover Buch erschienen. (Ich habe die E-Book-Version gelesen). Auf dem Titelbild sieht man einen lachenden, leger gekleideten Gregor Gysi. Das Buch entstand unter Mitarbeit von Hans-Dieter Schütt (bereits im Mai 2016 wurde mit ihm bereits das Buch „Was bleiben wird: Ein Gespräch über Herkunft und Zukunft“, ein Gespräch zwischen Gregor Gysi und Hans-Dieter Schütt, veröffentlicht).

Kurze Zusammenfassung:
Gregor Gysi beschreibt in Erzähl- und „Plauderform“ seine Herkunft, sein Leben und seine politische Entwicklung – von den Anfängen der DDR bis zur Wiedervereinigung – und bis heute. 45 Fotos ergänzen diese Biografie. Am Ende des Buches findet man ein Namensregister aller im Buch genannten Personen.

Mein Leseeindruck:
Auch wenn ich mich zu Beginn des Buches auf den für mich etwas ungewöhnlichen Erzählstil einstellen musste, so habe ich diese Biographie mit sehr viel Neugier und Interesse gelesen. Die ersten Sätze kamen mir sehr verschachtelt und lange vor, irgendwie habe ich mich dann aber sehr gut in das Buch eingelesen und es „zwischen den Jahren“ fast verschlungen.

Wer sich für die Deutsche Geschichte in den letzten 60 Jahren interessiert, der findet in diesem Buch teils sehr ausführliche Beschreibungen des (allerdings hier etwas privilegierteren) Lebens in der ehemaligen DDR: Gregor Gysi als allein erziehender Vater eines Sohnes, als Anwalt und als Politiker.

Gysi, der die „Mächtigen“ der Welt getroffen hat: hier beschreibt er sehr authentisch, oftmals humorvoll, seine Begegnungen. Er spart auch nicht mit Selbstkritik, aber auch nicht mit Kritik am politischen Gegner, trotzdem bleibt er fair.

Auch wenn man ihm sicherlich bei manchen Statements gerne widersprechen möchte, so lohnt sich ein Nachdenken bei seinen kritischen Äußerungen und manchen Lösungsansätzen.

Imponiert hat mir seine Zielstrebigkeit insbesondere bei der Erlangung des Pilotenscheins, den er heimlich während seines politischen  Lebens gemeistert hat. Auch sein „Comeback“ nach überstandenen Herzinfarkten und einer schweren Operation hat mich sehr beeindruckt.

Gregor Gysis Anekdoten sind kurzweilig und lesenswert. Hier gibt es einen besonderen Blick hinter die Kulissen des politischen Lebens vieler Politiker.

Seine Leidenschaft „ für die Abschaffung sozialer Diskriminierung und Barrieren“ zeigt Gregor Gysi sehr deutlich in dieser Biographie. Als Beispiel hat Herr Gysi hier einen Besuch in der Sendung „Hart, aber fair“ beschrieben. In einem Einspieler ging es um ein junges Mädchen, das sich in den Ferien Geld für ein Instrument verdient hatte. Weil die Familie von Hartz IV lebte, wurde dieses „Feriengeld“ auf den Hartz IV Satz angerechnet. Alle anwesenden Politiker versprachen sich dafür einsetzen, dass hier die Gesetze geändert werden. Nach monatelangem Verzögern durch die politische Mehrheit gelang es erst vor kurzem, eine Gesetzesänderung in Gang zu bringen…

Bei manchem Bild der beigefügten Fotos musste ich doch sehr schmunzeln, Vater und Sohn oder Sohn und Vater – manches Mal ist das schwer zu erkennen bzw. alle sehen sich in einem bestimmten Alter sehr, sehr ähnlich. Schade, dass mir die Fotos in E-Book erst am Ende aufgefallen sind. Ich hoffe, dass man sie in der gebundenen Ausgabe schon im mittleren Teil findet. Hier zeigt sich mir wieder einmal, dass ich doch das gedruckte Buch dem digitalen Buch vorziehe, da kann man immer mal wieder Blättern und sich parallel zum Geschriebenen die Fotos anschauen.

Fazit:
Eine Biografie, die ich gerne gelesen habe, auch wenn sie mit fast 600 Seiten doch sehr ausführlich ausgefallen ist. Aber wie sagt es Gregor Gysi so schön? „Ein Leben ist zu wenig“….

Bewertung: ***** von *****

Unsere wunderbaren Jahre (Peter Prange)

Deutsche Geschichte hautnah erlebt – die Geschichte einer Generation über ein halbes Jahrhundert erzählt

20161203-0353

Vom Autor Peter Prange habe ich bisher ein Buch gelesen (Himmelsdiebe), das mir schon besonders gut gefallen hat. Aber auch der Film „Das Bernstein-Amulett“ nach seinem gleichnamigen Roman, den ich leider nicht gelesen habe, hat mich sehr beeindruckt.

Beschreibung des Buches:
„Unsere wunderbaren Jahre“ von Peter Prange ist im FISCHER Scherz Verlag 2016 als Hardcover mit 969 Seiten erschienen. Peter Prange hat schon zahlreiche erfolgreiche Bücher geschrieben, sein erster Erfolg kam mit der deutsch-deutschen Familiengeschichte „Das Bernstein-Amulett“, das 2004 für die ARD verfilmt wurde.
Auf dem Titelbild sieht man einige Menschen auf einem Aussichtspunkt stehen, sie schauen auf eine Stadt. Das Bild ist wirkt leicht vergilbt und im Vintage-Stil.

Kurze Zusammenfassung:
Peter Prange erzählt in seinem Roman die Geschichte von sechs Menschen über den Zeitraum von 1948 bis zum Anfang des 21. Jahrhunderts. Mit der Währungsreform und 40 DM in der Tasche wagt jeder seinen eigenen Neuanfang als Schuhverkäufer, Unternehmer, Fabrikant oder Studentin. Es sind die Schwestern Ruth, Ulla und Gundel Wolf und deren Freunde Tommy, Benno und Bernd, deren Lebensweg Peter Prange sehr ausführlich und mit vielen Nebenschauplätzen beschreibt: Ein deutsches Märchen in den Nachkriegsjahren und darüber hinaus.

Mein Leseeindruck:
Ein dickes Buch, das ich nicht kontinuierlich lesen konnte (Mitnahme in Bahn schied hier aus), aber dennoch mit Begeisterung meist abends im Bett verschlungen habe, auch wenn ich dadurch manches Mal, wieder einmal wegen der vielen verschiedenen Charaktere, etwas den Überblick verlor. Im Anhang hilft allerdings eine Übersicht über die handelnden Personen.

Der Aufbau des Romans ist chronologisch, so dass man das Geschehen gut verfolgen kann. Viel wörtliche Rede macht das Ganze sehr lebendig. Die Beschreibungen der einzelnen Szenen sind sehr genau. Man kann sich direkt in die Handlung hineinversetzen.

Der Schreibstil Peter Pranges begeistert. Seine Art die Personen lebendig zu gestalten gefällt mir ausgesprochen gut. Es gelingt ihm, das Leben in der Nachkriegszeit im Westen als auch im Osten mit seinen Protagonisten gut einzufangen. Eine wunderbare Idee ist es, finde ich, den Start dieser Geschichte mit den 40 DM Startgeld zu beginnen und die verschiedenen Lebenswege zu verfolgen – und mit Beginn des EURO enden zu lassen.

Der Roman hat alles, was man so von ihm erwartet: Liebesgeschichte, geschichtliche Inhalte und auch spannende Elemente, die man von einem Krimi erwarten würde.

Die Kleinstadt Altena im Märkischen Kreis nähe Hagen spielt eine zentrale Rolle in diesem Epos. Hier „blickt“ die im Buch oftmals beschriebene Burg Altena über das Tal und wie ich gelesen habe, kann man noch heute den im Roman beschriebenen Erlebnisaufzug benutzen.

Ein schönes Detail in diesem Deutschlandmärchen ist, dass der Autor sich selbst in diese Geschichte mit einer zentralen Nebenrolle hineingearbeitet hat. Vieles ist erfunden, aber die geschichtlichen Ereignisse, die beschriebenen Örtlichkeiten und auch einige Personen gibt es tatsächlich.

Fazit:
Ein überaus gelungener Roman, der mich viele Tage (und Wochen) gefesselt hat. Ich konnte ihn nicht einfach „so zwischendurch“ lesen.

Bewertung: *****