Mutter ist zu dick
Das Buch hat mich angesprochen, weil die Familiengeschichte in den 1970er/1980er Jahren spielt, in denen auch ich aufgewachsen bin. Speziell geht es hier um die Mutter – die Frau in diesen Jahrzehnten.
Beschreibung des Buches:
„Die Lügen meiner Mutter“ ist 2022 im Kiepenheuer & Witsch Verlag als Hardcover mit 443 Seiten erschienen. Das Titelbild ist eher schlicht in den Farben Rosa und Gelb gehalten.
Kurze Zusammenfassung:
Tochter Elsa beschreibt das Leben ihrer Mutter in den 1980er Jahren. Ihr Augenmerk liegt hier ganz besonders auf dem Aufwachsen als Kind in einer Familie, in der das große Thema „Körpergewicht der Mutter“ das Familien-/Eheleben beherrscht.
Mein Leseeindruck:
Die Familiengeschichte spielt in tiefster deutscher Provinz. Die Atmosphäre stellt sich des Öfteren als äußerst düster dar, da die Protagonisten meist in ihren Rollen gefangen sind. Da gibt es den aufstrebenden Vater, der in der Gemeinde gerne ein Ansehen haben möchte, sich aber über das Gewicht der Mutter brüskiert. Mit ihr könne er sich ja nicht sehen lassen.
Somit ist das ständig beherrschende Thema Mutters Gewichtskontrolle und das Abnehmen. Dass seine Frau aber unter der Last der Kindererziehung (2 eigene Töchter und eine Freundin der Tochter) und der Pflege der eigenen demenzkranken Mutter leidet und ihre eigenen Bedürfnisse immer wieder hintenanstellen muss, das sieht der Ehemann nicht. Im Gegenteil, er beansprucht seinen Freiraum, den er für sich braucht.
Auch in Sachen Finanzen zeigt sich hier ganz klar das Rollenbild dieser Generation. Was Vater verdient, kann er auch ausgeben und bestimmen, für was das Geld verwandt wird. Hat aber die Mutter eigenes Geld (sei es durch eigene Arbeit oder durch Erbschaft erhalten), dann weiß auch hier der Mann, für was dieses eingesetzt wird.
Dieses Buch lässt einen nicht kalt. Teilweise hat man selbst die gleichen Erfahrungen gemacht.
Besonders gelungen finde ich in diesem Buch die eingeschobenen Zwiegespräche zwischen Mutter und Tochter in späteren Jahren, die das jeweils erzählte Kapitel reflektieren.
Fazit:
Das Buch hat mich gefesselt, gerade das letzte Drittel konnte ich nicht mehr zur Seite legen. Es hat mich an meine Kindheit erinnert. Es lässt mich aber demütig darauf zurückblicken und gleichzeitig bin ich froh, dass mir zumindest ein solches Familien- bzw. Eheleben widerfahren ist, weil sich doch in den letzten 40 Jahren einiges (nicht alles) geändert hat. Sehr lesenswert!
Bewertung: ***** von *****