Ergreifendes Buch – sollte man gelesen haben!
Ich wusste nicht ganz, was mich beim Lesen dieses Buches erwartet. Irgendwie fehlt mir bei den E-Book-Varianten der Klappentext, den ich mir immer mal wieder während des Lesens des Buches vornehme…
Beschreibung des Buches:
„Deutsches Haus“ ist 2018 im Ullstein-Verlag als Hardcover mit 368 Seiten erschienen. Ich habe die E-Book-Ausgabe gelesen. Auf dem Titelbild sieht man die Protagonistin offensichtlich auf ihrem Weg zur Arbeit.
Die Autorin Annette Hess hat die Drehbücher zur „Ku-damm 56/59 und für die Serie „Weissensee“ geschrieben. Diese Serien haben mir schon sehr gut gefallen. Ich habe alle Teile gesehen.
Kurze Zusammenfassung:
Eva ist Dolmetscherin. Eines Tages wird sie zu einer Befragung eines Zeugen gerufen, in der sie vom Polnischen ins Deutsche übersetzen soll. So ganz wird sie aus ihren Übersetzungen nicht schlau, findet aber in den kommenden Tagen Berichte über einen angekündigten Auschwitz Prozess. Als sie hier ihre neue Hauptaufgabe, das Übersetzen der Zeugenaussagen, findet, raten ihre Eltern, die die Gaststätte „Deutsches Haus“ in Frankfurt am Main betreiben, ab. Doch Eva lässt sich nicht davon abbringen und taucht ein in die Vergangenheit…
Mein Leseeindruck:
Ein Buch, das die Geschichte Deutschlands in den 1960er Jahren mit einem der ersten Auschwitz-Prozesse in Frankfurt am Main beschreibt, der im Saalbau (Bürgerhaus) Gallus von April 1964 bis August 1965 stattgefunden hat.
Die Autorin beschreibt in ihrem Roman sehr feinfühlig das Leben der jungen Eva Bruhns. Die junge Frau arbeitet als Dolmetscherin. Befreundet ist sie mit dem Unternehmer-Sohn Jürgen, der sie heiraten möchte. Sie verloben sich. Als sich Eva immer mehr mit der Arbeit als Dolmetscherin identifiziert, Fragen stellt und in ihrer Familie auf ein großes Schweigen stößt, will ihr Jürgen als zukünftiger Ehemann die Arbeit beim Prozess verbieten.
Doch die Autorin stellt Eva hier als emanzipierte Frau dar, die die Hintergründe um Auschwitz herausbekommen will. Man erhält hier als Leser einen tiefen Einblick in das Leben in den 1960er Jahren, die Anfänge der Aufarbeitung der Geschichte Deutschlands. Gleichzeitig beschreibt die Autorin sehr detailliert die Prozessarbeit des ersten Auschwitz-Prozesses. So fliegt eine große Delegation von Prozessbeteiligten nach Auschwitz, um sich hier vor Ort ein Bild zu machen. Gerade diese Beschreibungen erzeugen eine besondere Betroffenheit beim Lesen.
Neben Eva hat die Autorin auch ein ganz besonderes Augenmerk auf deren Eltern, Evas Schwester Annegret (eine Kinderkrankenschwester) und einen jungen Mitarbeiter des Gerichts gelegt, so dass in diesem Roman die verschiedensten Charaktere und Schicksale zur Sprache kommen.
Der Roman ist spannend und gleichzeitig berührend. Zwar beruht er auf Tatsachen und die Verhandlungsergebnisse sind bekannt, aber Evas Entwicklung in dieser Prozessphase ist frei erfunden, steht aber für viele Schicksale in diesem Land. Eva hinterfragt die vielen Aussagen „Wir haben nichts davon gewusst“, „wenn wir es nicht gemacht hätten, hätten es andere getan“…
Fazit:
Ich könnte mir dieses Buch gut als Pflichtlektüre für die Schule vorstellen. Der Roman macht betroffen. Er zeigt die Gleichgültigkeit vieler Menschen, die Zusammenhänge in der Nazizeit, das Schweigen, das Verleugnen und den Fremdenhass, der sich derzeit wieder massiv aufzubauen droht.
Bewertung: ***** von *****